Psychologische Dimensionen militärischer Einsätze - Kognition, Verhalten und mentale Belastung im Einsatzkontext


Beschreibung:
Militärische Einsätze sind komplexe, hochriskante Situationen, in denen psychologische Mechanismen maßgeblich über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Das Seminar vermittelt Master-Studierenden der Psychologie einen tiefgehenden Einblick in die psychologischen Grundlagen und Besonderheiten militärischer Einsatzrealitäten. Im Fokus stehen die kognitiven, emotionalen und sozialen Anforderungen, die an Soldatinnen und Soldaten sowie an militärische Organisationen gestellt werden.

Behandelt werden Themen wie Entscheidungsfindung unter Unsicherheit, Wahrnehmungsverzerrungen und Risikoeinschätzungen, Stress und Resilienz im Einsatz, interkulturelle Kommunikation, Führung in Extremsituationen sowie die psychologischen Langzeitfolgen von Einsatzbelastungen. Auch Fragen der Teamdynamik, Kohäsion, Moral und Motivation im militärischen Kontext werden kritisch reflektiert.

Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Rolle der Arbeits- und Organisationspsychologie sowie der Kognitionspsychologie für militärische Praxis: von der Analyse von Human Factors bei komplexen Operationen über die Gestaltung von Mensch-Maschine-Schnittstellen bis hin zu psychologischen Interventions- und Präventionsstrategien. Fallbeispiele aus Forschung und Praxis unter anderem aus internationalen Missionen verdeutlichen die Anwendung der theoretischen Konzepte.

Ziele des Seminars:
Die Teilnehmenden sollen ein differenziertes Verständnis der psychologischen Anforderungen militärischer Einsätze entwickeln, die Rolle psychologischer Expertise in Ausbildung, Einsatzvorbereitung und Nachbereitung einordnen können und ein kritisches Bewusstsein für die ethischen Implikationen psychologischer Arbeit im militärischen Kontext gewinnen.

Präsenztermine:

7.11.2025 14:00-18:00 in M3/02.10
28.11.2025 14:00-18:00 in M3/02.10
16.1.2026 14:00-18:00 in M3/03.29


  • 1. Entscheidungsfindung unter Unsicherheit: Heuristiken und Biases im militärischen Kontext
    • Untersuchung, wie kognitive Verzerrungen (z. B. Confirmation Bias, Overconfidence Bias) militärische Entscheidungen unter Zeitdruck beeinflussen und welche Gegenstrategien (Debiasing, Team-Decision-Making) möglich sind.
  • 2. Stress, Cortisol und kognitive Leistungsfähigkeit im Einsatz
    • Analyse der physiologischen und psychologischen Stressreaktionen bei Soldatinnen und Soldaten und deren Auswirkungen auf Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Urteilsfähigkeit.
  • 3. Resilienztrainings in Streitkräften: Evidenz, Wirksamkeit und psychologische Mechanismen
    • Evaluation von Trainingsprogrammen wie „Comprehensive Soldier Fitness“ oder „Operational Mental Readiness“ aus arbeits- und gesundheitspsychologischer Sicht.
  • 4. Teamkohäsion und moralische Stabilität in Gefechtssituationen
    • Untersuchung sozialpsychologischer Prozesse (Gruppenkohäsion, Vertrauen, soziale Identität) und deren Bedeutung für operative Leistungsfähigkeit und moralisches Verhalten.
  • 5. Führungsverhalten unter Extrembedingungen: Transformational Leadership im militärischen Einsatz
    • Analyse, inwiefern klassische Führungsmodelle (z. B. Bass & Avolio) unter hohem Risiko und Unsicherheit anwendbar bleiben oder modifiziert werden müssen.
  • 6. Mentale Modelle und Situation Awareness bei taktischen Operationen
    • Untersuchung der Bedeutung von Endsleys Modell der Situationsbewusstheit für militärische Entscheidungsprozesse und Einsatzplanung.
  • 7. Interkulturelle Kommunikation und psychologische Missverständnisse in multinationalen Missionen
    • Analyse kulturell bedingter Wahrnehmungs- und Kommunikationsunterschiede in gemischten Teams; Ableitung von Trainingsansätzen.
  • 8. Mensch–Maschine-Interaktion in modernen Waffensystemen: Vertrauen und Automationsbias
    • Reflexion der Human Factors bei der Nutzung autonomer und halbautonomer Systeme, mit Fokus auf Vertrauen, Kontrollillusion und Verantwortungsdiffusion.
  • 9. Moral Injury: Psychologische Folgen moralischer Dilemmata im Einsatz
    • Auseinandersetzung mit dem Konzept des „moral injury“ als Ergänzung zur klassischen PTBS-Forschung; ethisch-psychologische Dimensionen militärischer Entscheidungen.
  • 10. Kognitive Ermüdung und Vigilanzabfall bei Überwachungs- und Kontrolltätigkeiten
    • Analyse der Auswirkungen von Dauerbelastung, Monotonie und Schlafmangel auf Wahrnehmung, Reaktionsfähigkeit und Fehlerraten.
  • 11. Kommunikation und Fehlermanagement in militärischen Teams: Lessons Learned aus der Luftfahrtpsychologie
    • Übertragung von Crew Resource Management-Prinzipien (CRM) auf militärische Einsatzteams; Bedeutung von Feedback, Hierarchie und Kommunikationskultur.
  • 12. Posttraumatische Belastungsstörung und Copingstrategien: Zwischen individueller und kollektiver Verarbeitung
    • Analyse psychologischer Bewältigungsmechanismen, Rückkehrintegration und sozialer Unterstützungssysteme im militärischen Umfeld.
  • 13. Mentale Vorbereitung und Simulationstraining: Psychologische Grundlagen von Einsatztraining
    • Bewertung des Beitrags kognitiver und emotionaler Vorbereitung (z. B. mental rehearsal, scenario-based training) zur Einsatzkompetenz.
  • 14. Emotionale Ansteckung und Affektregulation im militärischen Team
    • Untersuchung gruppendynamischer Emotionsprozesse, z. B. wie Angst, Mut oder Zuversicht innerhalb eines Teams übertragen und reguliert werden.
  • 15. Psychologische Aspekte von Cyber- und Informationsoperationen
    • Analyse der kognitiven und motivationalen Mechanismen bei Informationskriegsführung, Desinformation und psychologischen Operationen.
  • 16. Gender, Identität und Rollenbilder im militärischen Kontext
    • Reflexion geschlechtsspezifischer Unterschiede in Wahrnehmung, Führung, Stressreaktion und Gruppendynamik unter militärischen Bedingungen.
  • 17. Die Rolle der Psychologie in militärischen Auswahlverfahren
    • Kritische Analyse der eingesetzten diagnostischen Methoden (Assessment Center, Persönlichkeitstests, Belastungstests) und ihrer Validität.
  • 18. Ethik psychologischer Forschung und Intervention im militärischen Umfeld
    • Diskussion ethischer Grenzen, z. B. bei manipulativen oder belastenden Trainingsmethoden, unter Bezug auf APA- und DGPs-Richtlinien.
  • 19. Technostress und kognitive Überlastung durch digitale Einsatzunterstützung
    • Analyse, wie digitale Systeme (z. B. Decision Support Tools, Drohnenfeeds, Sensorfusion) zu Informationsüberlastung und mentalem Stress beitragen können.
  • 20. Post-Deployment Growth: Positive psychologische Effekte nach militärischen Einsätzen
    • Untersuchung der Konzepte von posttraumatischem Wachstum, Sinnkonstruktion und Resilienz nach belastenden Erfahrungen.


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